Montag, 31. Mai 2010

Ich wäre so gern Patientensprecher

Das ist eine Zeit! Koch tritt zurück, Köhler tritt zurück, Politiker (!) fordern für Lena das Verdienstkreuz, weil sie "gesiegt (!) , das (Vater-)Land gerettet (!) hat (dabei kann man das Ding erst mit 40 kriegen und für andere Leistungen als berufliche Cleverness), womöglich tritt Klose zurück, Frings wird reanimiert, Löw entscheidet nicht, setzt Sondertraining an und lässt vor allem die Stürmer Mountainbike fahren, Klitschko lässt den Bart wachsen, der Raab lässt wieder seinen "Zuschauer der Woche" wie weiland bei der Vivavision etwa 50 Zentimeter über der Fußleiste aus der Studio-Rückwand glotzen, Guido will dabei den Auftakt machen (wenigstens bei einem Remake Nummer 1 werden) - ich lass  jetzt hier Raum, damit Ihr was einfügen könnt.


Gut! Das fällt alles unter die Rubrik: "Neues aus der Anstalt". Ich plädiere für einen sofortigen "Brennpunkt", "Heute" und nach der "Tagesschau",  mit Priol und Schramm (solange er noch nicht zurückgetreten ist), mache mich außerdem stark für Hader und Pelzig.

Lieber Urban, ich mach auch vorübergehend den Patientensprecher. So wie in diesem Land so manche(r) seinen Job macht, so gut bin ich längst. Ich wollte nie ins Fernsehen - aber Patientensprecher, das wär ich zu gern. Da käme ich endlich mal nah ran an all' die, denen ich schon lange die Meinung geigen wollte. Ich hab gedient, in Rente geh ich demnächst auch, nur den Arm lass ich mir nicht abhacken. Und wenn mich jemand tritt, ich trete nie zurück.

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Montag, 24. Mai 2010

Alles Heuchler ?!?

Erstaunlich, wie oft man lesen darf: Die Komödie, das Leichte, ist das Schwerste. Wenn ich mich umgucke, was so auf die Festivals eingeladen wird - das Schwerste ist nie dabei, immer nur das Schwere.

Wenn Du Jahrzehnte Theater machst und dabei zur Hälfte das Schwerste auf den Spielplan setzt und trotzdem überlebst - dann, weil das Publikum honoriert, dass Du das Schwerste doch wohl sehr gut beherrschst.

Ist das Diktum "Das Leichte ist das Schwerste" nur geheuchelt. Lästern die, welche das Schwerste offenbar meiden wie die Pest, die in den Theatern und die in den Feuilletons und in den Intellektuellenzirkeln, lästern die nur deshalb drüber, weil sie wissen, dass sie es nicht können?

Besonders auf Relevanz erpichte Angestellte eines Stadttheaters wollten nicht nur "nie mehr sowas spielen" wie "Das Sparschwein" oder "Die Hose", sondern vergeigten auch grandios "Mein Freund Harvey" und "Die Kunst der Komödie".

Als Dario Fo gerade den Nobelpreis zugesprochen bekommen hatte und wir drei Wochen später das von seiner Frau Franca Rame zusammen mit ihm geschriebene Stück "Sex - aber mit Vergnügen!" zur westdeutschen Erstaufführung brachten, schrieb ein Schauspielerkollege ins Gästebuch: "Das hat man in den 60er Jahren in den Illustrierten schon besser gelesen." Was das Publikum nicht daran hinderte, bei uns Stehplätze zu zahlen oder auch  zum zweiten Mal in die Vorstellung zu kommen, diesmal zusammen mit ihrem pubertierenden Nachwuchs, weil das Stück, welches ja im prüden Italien für Jugendliche unter 18 verboten war, anscheinend doch einiges an Aufklärendem zu bieten hatte. Allerdings humorvoll verpackt - das ist ja bei Fraca Rame und Dario Fo selbstverständlich. (Wegen dieses selbstverständlichen Humors hatten ja einige gegiftet, Fo, der einzige Literaturnobelpreisträger übrigens aus dem Theaterbereich, sei des Preises nicht würdig.)

Derzeit läuft bei uns "Frühstück bei Kellermanns". Da wird auch sehr viel gelacht im Parkett. Das Stück ist knapp 30 Jahre alt - heuzutage eine sehr lange Zeit, weil Vieles sich rasant geändert hat, auch technisch ("Telekommunikation"), aber nicht nur. Mit einigen Kniffen kann man das Stück dennoch absolut in die Gegenwart holen; zum Beispiel liest der "Rudi Kellermann" im Laufe des Abends bei zweien der vier "Frühstücke", nämlich zu Beginn des Stückes und nach der Pause,  seiner "Lotte Kellermann" natürlich aus der "Sonntagszeitung" vor und erklärt ihr - wie bei "richtigen Kerlen" üblich - die Welt. Das Extemporieren aus der Zeitung des Spieltages zündet immer bestens - das Publikum lacht mordsmäßig oder ist stickum, je nachdem, was in dieser stand-up-Einlage abgefrühstückt wird.

Wir sind sehr froh, dass uns das, was immer und überall als "das Schwerste" bezeichnet wird:  das Humorvolle, dass uns das nach wie vor bestens gelingt. Auch "Frühstück bei Kellermanns" trifft anscheinend den Nerv eines großen Teils des Publikums (hier Stimmen) - ist doch das Thema: "Empty nest - und nun?"

Passend dazu finden wir in einem AZ-Artikel von Stephanie Schuster  ein paar den (auch uns überraschenden) Stückerfolg erklärende Hinweise, die sich aus dem Gespräch mit Markus Wonka, dem Leiter einer Psychologischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen, herauslesen lassen:

"Die zweite große Gruppe, die zunehmend bei Markus Wonka und seinen zehn Mitarbeitern auf Honorarbasis Hilfe sucht, bilden ältere Paare um die 50: geordnetes Leben, materiell abgesichert, die Kinder sind aus dem Haus. Auf einmal fallen die gemeinsamen Aktivitäten mit der Familie weg - doch die Zweisamkeit ist man gar nicht mehr gewohnt. 'Aber heute haben solche Paare theoretisch noch 40 gemeinsame Jahre vor sich', sagt Wonka. Ein guter Grund, etwas zu unternehmen und an der Beziehung zu arbeiten."

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Sonntag, 23. Mai 2010

Subjektives zur grassierenden Festivalitis

Theatermenschen: Ich habe einen Sensationsfund gemacht: Einer aus der Riege derer, die totzuschlagen Goethe einstmals aufgefordert hatte, ein Rezensent, gibt zu, er habe im Theater gelacht. Und wie gelacht!

Anekdotisch ist zu berichten: Als bei Stücke 85 „Das alte Land“ (Klaus Pohl) Stück des Jahres wurde, war auch im Wettbewerb: „Zwölfeläuten“ (Heinz R. Unger). In beiden Stücken ging es um das Ende des Krieges und das Ende, das Erbe der Nazis. „Zwöfeläuten“ wurde gezeigt vom Wiener Volkstheater, als Volksstück im besten Sinn des Wortes. Ich habe ziemlich viel lachen müssen - wegen des Stückes, wegen der Inszenierung (Dietmar Pflegerl), wegen der Darsteller. Das Publikum musste auch sehr viel lachen – und vergab seinen Preis an diesen hinterfotzigen Schwank (der übrigens 2001 mit der Creme der österreichischen SchauspielerInnen verfilmt worden ist). Nicht ein einziges Mal lachen musste der Juror und Theaterheute-Matador Henning Rietschbieter (er saß in der Loge links oben, schräg vor mir in der Mülheimer Stadthalle). Ich wusste sofort: „Zwölfeläuten“ kann niemals den Preis gewinnen. „Das alte Land“ war ja auch an der Burg uraufgeführt und von Köln unter Flimm an die Ruhr gebracht worden. Ich hab mal nachgesucht: „Zwölfeläuten“ steht heute nicht mal mehr im Archiv der Mülheimer Stücke.

Diese beiden Geschichtchen zum Thema „Lachen im Theater“ drängten sich mir just auf, weil: Es herrscht ja grade wieder jede Menge Theater-Remmidemmi allenthalben: 47. Berliner Theatertreffen (7. bis 24. Mai), das wichtig-wichtigste deutsche Theaterfamilientreffen (eingeladen: „die zehn jahresbesten Inszenierungen“). Dann laufen die 35. Mülheimer Theatertage (bis 3. Juni), bei denen die Stücke eines Jahres im Wettbewerb um den Mülheimer Dramatikerpreis stehen. Und Wien bietet seine Festwochen, die bis zum 20. Juni laufen.

Circus maximus. Ziemlich viel Olympisches. Weniger im Sinne von „Dabei sein ist alles“, mehr die Attitüde „höher, schneller, weiter“.

Unsereiner steht dann da, Mund und Nase offen, staunt, wie das Getriebe so funktioniert, fragt sich: Muss ich beeindruckt sein? Was lerne ich? Was nehm ich mit? Was inspiriert mich? Was fang ich damit an? Was erschüttert mich? Was bringt mich von meinem Pfade ab? Was tue ich in Zukunft? Was setze ich auf den Spielplan?

Ich hätte noch ein paar Fragen. Ein wenig irritiert den fragenden Theaterarbeiter in der Provinz, wenn er dann das Getöse mitbekommt, welches im Anschluss an den gerade zu Ende gegangenen Heidelberger Stückemarkt losgegangen ist. Da war eine Jury zugange, die von allen beteiligten Autoren Zunder bekommt, weil sie nicht urteilen wollte. Oder konnte? Dabei ausgerechnet der Preisträger des letzten Jahres, Nis-Momme Stockmann, der mit seinem „Kein Schiff wird kommen“ aufs Karussell geraten ist (Mülheim / Berlin); und adabei Christine Dössel, Rezensentin der Süddeutschen Zeitung, Bloggerin (süddeutsche.de „geht's noch …?!“), aber auch schon Jurorin gewesen in Mülheimer und eben jetzt beim Stückemarkt in Heidelberg.

Die Autorinnen und Autoren, die ihre Haut zu Markte getragen hatten, beklagen sich nun unisono und in Offenem Briefe, weil die Jury ihren Marktwert nicht einordnen wollte in besser, schlechter, Gewinner …

Die Diskussion hält an. Es ist einiges im Fluss. So überlegt das Goethe-Institut „Frei oder nicht frei“ und will festgestellt haben „Die Grenzen von Staatstheater und Freier Szene lösen sich auf“. Und der schon mal auffälliger gewordene, aber immer noch agile Groß-Augur Christoph Müller konstatiert unter der Titelzeile „Nur noch die Gegenwart gilt“ zu Berlin: „Das ... verjüngt und globalisiert sich zusehends. Das war aber auch nötig, denn die landeseignen Regietheater-Gurus der Vierzigjährigen, die mittlerweile den dekonstruktivistischen Stil der deutschsprachigen Staats- und Stadttheater bis zur Erschöpfung beherrschen, sind austauschbar überall zugange. Was sie machen und wie sies machen, ist überraschungs- und geheimnislos geworden.“ Das Treffen, „randvoll auch mit Stückemärkten und Preisvergaben“, konzentriere sich „ausschließlich auf unverbrauchte neue Impulse, die größtenteils aus der so genannten freien Szene kommen oder sonstwie mit aparten Produktions-Partnerschaften gegen den Mainstream schwimmen.“ Da dann lese ich nochmals „Nur noch die Gegenwart gilt“ – und fahre sozusagen morgen (in einer Woche) nach Wien um die Zukunft meistern zu können. Ein wenig große Theaterwelt muss sein, warum und wozu auch immer.

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Donnerstag, 20. Mai 2010

Ideen und Realisation

"Theater - schreiben, inszenieren, spielen" ist ein Kurs überschrieben, in dem Schülerinnen und Schüler ab der 8. Jahrgangsstufe zusammenarbeiten sollen, an einem sogenannten "Begabtenstützpunkt für besonders begabte schwäbische Gymnasiasten".

Wenn Du da als Theatermacher gefragt wirst, ob Du Dir vorstellen könntest, zu kooperieren und Impulse zu geben - da musst Du erst mal denken. Äußert mal irgendwelche Bedenken, die mir nicht auch gekommen wären. Ich hab mal zugesagt, weil bis jetzt erfreulicherweise jegliche Vorgaben fehlen. Man kann noch was machen.

Erste Ergebnisse zweier sondierender Gespräche: Die Internet-Präsenz des Kurses wird aufgebaut. Drei Säulen existieren schon:
das blog StageCool (wordpress)
ein Twitter-account
Facebook- Profil, Page und Gruppe.
Dabei sollen diese drei Bereiche noch durch andere Internet-Möglichkeiten (Flickr, Vimeo etc.) ergänzt werden.

Wer sich auf diesen Portalen umguckt, sieht, so sehr sie natürlich in dieser Phase noch Baustellen sind, welche Möglichkeiten es auch inhaltlich auszuloten gilt. Da es keine vergleichbaren Vorgänge gibt, die man aus dem Aktenschränkchen zieht, kann man sie (die Vorgänge) auch nicht hochleben lassen. Oder anders ausgedrückt: Dieser Kurs hat noch keine Lehrer-Lösungen, ja nicht mal Lehrerfragen. Überlassen wir es doch mal dem Prozess, was da geschrieben, inszeniert und gespielt wird, auf der Bühne oder wo auch immer, in welcher Realität auch immer ...

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Samstag, 15. Mai 2010

Theaterkurs für Begabte

Besonders begabte Schülerinnen und Schüler sollen gefördert werden. Das ist ein "erklärtes" Ziel der bayerischen Bildungspolitik. Ein neuartiges Mittel ist der „Begabtenstützpunkt“. Im kommenden Schuljahr, ab Herbst 2010 wird ein solcher Stützpunkt am Lessing-Gymnasium in Neu-Ulm eingerichtet. Dann bietet dieser Begabtenstützpunkt an: schul- und jahrgangsübergreifende Kurse aus den Bereichen

  • Technik

  • Sprachen

  • Mathematik

  • Theater

Diese Kurse soll auszeichnen: das intensive und kontinuierliche Zusammenarbeiten mit Hochschule, Universität, verschiedenen Industriebetrieben und Fachleuten (zum Beispiel aus dem Theaterbereich für den Kurs „Theater – schreiben, inszenieren, spielen“).

Dass am Lessing-Gymnasium Neu-Ulm ein solcher Begabtenstützpunkt (wie er in Memmingen mit anderen Kursinhalten seit diesem Schuljahr läuft) eingerichtet wird, geht zurück auf die Initiative des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Schwaben, des Leitenden Oberstudiendirektors Hubert Lepperdinger. Neben diesem wichtigen Befürworter unterstützt auch der Neu-Ulmer Landrat Erich Josef Geßner das Projekt nach Kräften – hat er doch den Landkreis Neu-Ulm zur Bildungsregion ausgerufen

An den Kursen teilnehmen kann, wer von der derzeit besuchten Schule vorgeschlagen wird. Erziehungsberechtigte können ihre Kinder über das Direktorat des derzeit besuchten Gymnasiums als Kurs-Teilnehmer vorschlagen.


An dieser Stelle etwas zum Kurs „Theater“. Da alles noch sehr neu und bislang nicht erprobt ist, kann nur ein erstes Konzept „Texte schreiben und szenisches Umsetzen“ vorgelegt werden. Dezeit brüten Beteiligte aus, wie dieses Konzept zu einer brauchbaren Arbeitsunterlage modelliert werden kann, die dann Wege und Ziele beschreibt und möglich macht.

Grobziel des Seminars: selbst verfasste Texte für Film und Bühne in Szene setzen.

Es sollen Grundlagen erarbeitet - dramentheoretische Ansätze sowie Möglichkeiten beziehungsweise Traditionslinien der Inszenierung – erarbeitet werden, als Grundlage für den praktisch-gestalterischen Teil.

Anschließend soll mit unterschiedlichen Impulsen der gestalterische Teil des Schreibens eingeleitet werden. Dabei können sowohl emotional-persönliche Zugänge als auch gesellschaftliche, politische oder kulturelle Motive und Themen die Basis für das Texten darstellen. In fortlaufenden Phasen des Überarbeitens und Reflektierens erstellen die Schüler Kurzprosa oder auch lyrische Texte.

Schließlich werden die so entstandenen Texte für die szenische Umsetzung aufbereitet und durch die Seminarteilnehmer teilweise unter professioneller Begleitung szenisch umgesetzt und in einer Abschlussvorstellung zur Aufführung gebracht.

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Montag, 3. Mai 2010

Autor publiziert unkonventionell Unkonventionelles

Er stammt aus Ulm, wohnt derzeit in Zürich und schreibt fürs globale Dorf, für alle Welt. Potentiell : Oliver Bendel. So, wie man grenzenlos telefonieren kann, so kann man auch seine literarischen Werke weltweit lesen. Bendel ist europaweit als Autor ein Pionier dieser innovativen Publikationsart.

Jüngst ist ein schöner Artikel über Romane fürs Handy erschienen, in der Neuen Züricher Zeitung (im NZZfolio). Da kann man sich viel Wissen holen über Handy-Romane. Der Autor des NZZ-Artikels, Konrad Muschg, in Tokio lebender freier Journalist, erwähnt am Ende seines Artikels auch Oliver Bendel:

„Wie vieles, was bei Japans Jugend boomt, schwappte auch die Handyroman-Welle auf benachbarte Länder über. In Südkorea, Taiwan und in China haben sich entsprechende Online-Gemeinschaften gebildet. In den USA gibt es nach anfänglich wenig erfolgreichen literarischen Experimenten auf Twitter mehrere Micro-Blogging- und Handyroman-Websites wie Quillpill oder Textnovel, erste Gehversuche wurden auch in Indien und Südafrika gemacht. Im deutschen Sprachraum gilt der in Zürich lebende Oliver Bendel, der als einer der wenigen europäischen Autoren seit 2007 auch Handyromane schreibt, als Pionier.“

Nachdem ich seit einem Vierteljahrhundert mit ihm (sporadischen) Kontakt habe, hat mir Oliver Bendel seine neuesten Pläne verraten:

„Ich liebäugle im Moment damit, meine Handyromane drucken zu lassen (zum Glück habe ich nur die mobilen Rechte verkauft). Diese Woche kommt 'Handygirl - Part III' heraus, in zwei, drei Monaten der dritte Band von 'Lucy Luder'.“ Vor ein paar Monaten hat sich ein bekannter Verlag bei ihm gemeldet, von dem er sagt: „Die wären der richtige Partner dafür. Aber vielleicht gebe ich es auch in einen kleineren Verlag. Es müssten ganz spezielle Bücher werden.“

Bendel wollte eigentlich immer Schriftsteller werden, studierte in Konstanz Philosophie und Germanistik, stellte fest: "Das Studium war das Aus für meine Kreativität." Er orientierte sich dann um, promovierte in Wirtschaftsinformatik und ist inzwischen Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule für Wirtschaft in Basel (Fachhochschule Nordwestschweiz). Seit einiger Zeit schreibt er wieder - ganz traditionell Bücher, aber auch eben Sachen, die man nur via Handy lesen kann.

Und da ist er wieder bei einem Genre gelandet, mit dem er vor Jahrzehnten, mit 16, in Ulm auffällig geworden war, beim „Salon“ im „theater im fundus“, bei „Junge Wilde treffen wilde Alte“, wo man sich gegenseitig vorstellte, woran man gerade arbeitete. Bei Oliver Bendel war das: Lyrik (einiges wurde auch in der Südwest Presse-Beilage U30 veröffentlicht).

Er selbst kommentiert: „Inzwischen bin ich 'back to the roots' und schreibe Lyrik, genauer gesagt Haikus, noch genauer gesagt Handyhaikus. In ein paar Wochen kamen 200 zusammen, die nun auf verschiedene Weise veröffentlicht werden. In gedruckter Form, zusammen mit QR-Codes; dann direkt als Buch für Handys; und noch in dieser und jener Weise. Die ersten hundert habe ich Handyhaikus genannt, Haikus über und für das Handy (darunter aber auch Haikus zu künstlichen Wesen, Maschinenmenschen etc.), die zweiten hundert Liebeshaikus.“ Ein paar der ersten Sammlung findet man hier (unbedingt mal hinklicken!).

QR-Codes sind grafische Muster, die ähnlich wie ein Strichcode im Supermarkt Daten enthalten. Mit einer Handy-Kamera und einem QR-Code-Reader, der im Internet kostenlos heruntergeladen werden kann, werden aus dem grafischen Muster wieder Buchstaben, die man per SMS verschicken kann.

Oliver Bendel spukt aber wohl auch noch ganz anderes als die Literatur-Minis im Kopf herum, das lässt sich aus der Bemerkung schließen: „Der grosse Entwicklungsroman steht bei mir noch aus und ist auch eine Zeitfrage...“ Eines seiner „normalen“ Bücher, seine "Künstliche Kreaturen" hatte er in etwa drei Wochen geschrieben. Wir sind gespannt und halten uns auf dem Laufenden.

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Samstag, 1. Mai 2010

Schamlos unverschämt

Auf der Feuilleton-Seite der Südwest Presse (vom Freitag, 30. April) gibt es einen "Zwischenruf" des Redakteurs Magdi Aboul-Kheir (auch Buchautor, Blogger), den ich Euch nicht vorenthalten möchte. Ich hab zwar zum Original-Zwischenruf verlinkt, aber ich poste dennoch den kompletten  "Zwischenruf" auch hier, nicht nur weil viele nicht gern hin und her "zappen", nein, es gibt noch einen eigensüchtigen Grund: Ihr könnt zwar unterm Original-Artikel kommentieren, aber ich wäre beglückt, wenn sich auch hier auf dem blog eine "Diskussion unter Fachleuten" entspinnen könnte oder würde oder sollte ...
Als der Schauspieler Daniel Day-Lewis sich vor gut 20 Jahren für den Film "Mein linker Fuß" in den schwerstbehinderten Christy Brown verwandelte, wurde er zu einem stummen, kriechenden, sabbernden Wesen - selbst wenn die Kameras nicht liefen. Als er später in "Gangs of New York" den ruchlosen Messerstecher Bill the Butcher verkörperte, fuchtelte er auch in den Drehpausen mit der scharfen Riesenklinge durch die Gegend. Daniel Day-Lewis hat den Ruf, sich wochen-, ja monatelang kompromisslos in seine Filmcharaktere zu verwandeln und nicht mehr aus den Rollen herauszutreten - oft zum Schrecken seiner Kollegen.

Es ist nicht bekannt, ob Otar Iosseliani, der Altmeister des georgischen Films ("Günstlinge des Mondes"), Daniel Day-Lewis kennt. Der 78-jährige Regisseur lederte kürzlich übel über die Schauspielerei ab: Die sei kein überhaupt kein Beruf, sondern bedeute - wir denken an Day-Lewis Method Acting - den "völligen Verlust der eigenen Persönlichkeit". Berühmte Schauspieler "wie Gérard Depardieu oder Catherine Deneuve wissen schon gar nicht mehr, wer sie sind". Die Hauptsache dieses Berufes sei "öffentlich zur Schau gestellte Schamlosigkeit". Da fällt einem Alfred Hitchcocks Tirade aus der Frühzeit des Films ein, wonach alle Schauspieler Vieh seien.

Man müsste mal in Erfahrung bringen, was etwa die französische Leinwand-Legende Michel Piccoli über diese Einlassungen denkt, denn er stand für Iosselani vor der Kamera. Und man fragt sich, welche Erfahrungen Iosselani zu seinem herben Urteil, Schauspieler hätten überhaupt keine eigene Persönlichkeit, haben kommen lassen.

Nun, vielleicht kann man das Rätsel lösen, wenn man in Erfahrung bringt, wer am häufigsten in den Filmen dieses Regisseurs mitgespielt hat. Es ist nämlich Iosselani selbst - der offenbar gar nicht mehr weiß, wer er ist.

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