Montag, 28. Februar 2011

Defibrillator

Gerade sitz ich da und mach mir Gedanken, da klingelt das Telefon. Eine äußerst säuselnde, schnellsprechende Stimme ... Alarm! Wer will mir was verkaufen? Die Schnellsprecherin (gepitcht à la "zu Risiken und Nebenwirkungen bla-bla-bla ...") will mir einen Defibrillator andrehen, fürs Theater. Bei mir rattert's. Spielen wir Sachen, bei denen jemand in Schockstarre fällt und ich so ein Ding brauche? Kann ich (einen Theaterarzt haben wir ja gar nicht) das überhaupt handhaben?

Ich unterbrech die Stimme ruck-zuck und reflexartig, wie immer, wenn ich so unzweideutige Angebote bekomme. Oder soll ich Offerten sagen?  Latein soll ja wieder boomen, les ich heute Morgen im Lokalblatt. Und da bin ich wieder bei meinen eingangs erwähnten Gedanken.

Die drehten sich ums TheaterMachen, heutzutage. Ich wollte mich im blog auslassen über die Zweifel, was man denn nun noch auf die Bühne bringen sollte. Soll man überhaupt noch was auf die Bühne bringen? Mit was hat man denn noch eine Chance beim Publikum? All' die Bösewichter, die unsere dichtenden Großleuchten da mal konstruiert haben, die "Räuber", die Vatermörder, Don Karl werden doch in der schnöden Alltagswelt längst mühelos getoppt.

TheaterMachen? Heutzutage?
Heutzutage,

  • da das Publikum einem dreisten Betrüger weiter das Vertrauen ausspricht,
  • da eine Regierungschefin ausländischen Machthabern rät zu gehen, statt einfach die in die Wüste zu schicken, die sie in die Wüste schicken könnte,
  • da das Durchpeitschen von Großprojekten, die nur wenigen Nutzen bringen, womöglich mit Wiederwahl belohnt wird,
  • da Medien mit dem größten BLÖD-"sinn" und ziemlich viel Unverfrorenheit Auflage machen können und,
  • da das Publikum von als "Unterschichten-Fernsehen" apostrophierten TrashSendungen zu 30 Prozent aus Akademikern besteht -
liebe Leute, da brauch ich den Defibrillator nicht mehr, da komm ich, je länger ich nachdenke, von allein wieder auf Touren. Versprochen.

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Samstag, 26. Februar 2011

Fast Faust - Lustspiel für zwei Schauspieler

"Fast Faust", ein Lustspiel fdür zwei Schauspieler, ist unser nächstes Projekt. Die vierte Neu-Inszenierung dieser Spielzeit soll  Premiere haben am Freitag, 06. Mai 2011.

Besetzung:

Claudia Riese
Claudia Riese

Regie

Heinz Koch
Heinz Koch

André

Richard Aigner
Richard Aigner

Heiner

Zum Stück:

Das in D meistgespielte und gleichzeitig von Schülern bestgehasste Theaterstück, Goethes "Unantastbares", als "Lustspiel für zwei Schauspieler"? 57 Rollen, auch das Gretchen, von zwei Männern verkörpert? Reiner Blödsinn?

Na, jedenfalls nix für Werktreue-Fanatiker und Klassiker-Puristen - die sollten wegbleiben, es sei denn, sie sind bereit, sich letztlich positiv überraschen zu lassen...

Alle, die den "Faust" kennenenlernen und dabei gut unterhalten werden wollen, sind hier goldrichtig.

Es wird korrekt die ganze Faust-Geschichte erzählt.
Das Wichtigste wird, "die Stellen" werden im Originaltext geboten.
Was ist anders?

Es spielt nicht ein großes Ensemble, sondern das "Dramenterzett". Letztlich bieten zwei Schauspieler 57 Rollen, einschließlich des Gretchens (weil die Dame im Schauspieler-Trio fast ein ähnliches Schicksal erleidet wie die Ärmste im "Faust").


"Faust I" von Johann Wolfgang v. Goethe ist Jahr für Jahr das meistgespielte Stück auf deutschsprachigen Bühnen.

Auch wir, das "Autonome Goethe- und Schiller-Theater", haben - na klar - das Werk schon gezeigt; das war anno 1997. Davon schwärmen heute noch viele unserer ZuschauerInnen. Tatsächlich, vielleicht ist das nicht allen so ganz präsent, ist das AuGuSTheater eine professionelle Bühne. Es spielen nur Akteure, welche die auch an staatlichen und städtischen Bühnen geforderten Berufsabschlüsse haben.

Normalerweise aber haben wir als "professionelle Schaubühne für zeitgenössisches Theater" praktisch ausschließlich Stücke lebender Autoren auf dem Spielplan.

Jetzt kommt mal ein sehr schöner "Mix": der berühmte Faust, von Albert Frank eingerichtet als Lustspiel für zwei Schauspieler. Ein Coup!

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Freitag, 18. Februar 2011

Muss man den Namen zu Guttenberg annehmen?

Gerade erre icht mich eine persönliche Nachricht auf Facebook. Da fragt mich eine langjährige Bekannte:

"Hallo..., als facebook freaks könnt ihr mir doch bestimmt sagen, wie das mit dem Urheberrecht ist, wenn ich z.B. einen Text, der jetzt nicht unbedingt aus der Presse stammt, auf facebook posten möchte. Ich denke da z.B. an einen Blogeintrag oder einen Text von einer fremden Webseite. Darf ich das, wenn ich ihn als Zitat kennzeichne und den Urheber angebe? Oder muss ich da eine Einwilligung einholen? Oder muss ich, wenn nicht, dann den Namen zu Guttenberg annehmen oder wie ist das? ;-)
Ein fröhlicher Gruß ..."

Ich hab geantwortet:
Meine (vielleicht etwas konventionelle und für viele langweilige, wenig Glamour ausstrahlende) Devise: Grundsätzlich zitieren und sagen, woher es ist. Aber Du kannst auch den Guttenberg heiraten, klar, dann darfst Du so machen, wie Du willst.

Im Besonderen sag ich mal so:

Ich hab mal wörtlich abgeschrieben bei einer Lateinarbeit (Cäsar: de bello gallico - gerade bei Google abgeschrieben) aus einem Reclam, welches vor dem Geburtsdatum des Lateinlehrers schon erschienen war. Das war die sichere Seite.

Wenn der Lehrer noch lebt, fragt er sich bis heute, wohin ich das Heft gezaubert hatte, als er mich kontrollierte  und er auch bei der Taschen-Inspektion nichts fand (es war im Hosenstall verschwunden - zu Lateinarbeiten hatte ich nur Hosen an, deren Falle mit einem Reißverschluss zuging).

Übrigens: Zur Zeit dieses speziellen Vorfalls - war nach 1962, meinem von den Beatles verschuldeten Wendejahr - waren meine Haare nicht mehr gegelt (beziehungsweise von der Brillantine "FLOT für den Herrn" betoniert).
http://www.markenmuseum.com/marke_fit-und-flott.0.html

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Montag, 14. Februar 2011

Wenn die Birne brummt oder summt

Die Kahlköpfigen (beleibe keine Glatzen) sitzen an der Theke und fabulieren über den Genuss (Verbrauch) von Fleisch, über die Folgen von Fastfood-Konsum (inklusive Diabetes), sie schwadronierten (Vergangenheitsform! Ich bin ja inzwischen schon wieder am PC) über den FC Bayern und warum er immer ausverkauft ist und weshalb ihn alle lieben, den FC Bayern, wenn er international spielt ... Und sie lenkten mich ab, die Kahlköpfigen, und ich musste mich immer wieder konzentrieren.

Ic h war nämlich nicht gekommen, weil ich die Kahlköpfigen belauschen wollte. Ich wollte noch was trinken, einen Wein. Und dabei lesen wollte ich. "Die ganze Wahrheit über Stuttgart 21" von Wolf Reiser. Der Autor hatte mir das Exemplar geschickt, mit Widmung. In absehbarer Zeit will er mich besuchen. Oh je! Da muss ich das Buch gelesen haben.

Ich bin auf Seite 67 von 187 Seiten. Und die 67 Seiten machten mich zunächst - bis Seite 17? - nicht soooo an. Aber ich wusste: Ich muss weiterlesen. Jetzt, auf Seite 67, hat Reiser mächtig Fahrt aufgenommen. Was ich nun las und was sich irgendwie mit dem Geschwatze (ich vermeide das Wort Geschwätz, weil Norddeutsche das negativ interpretieren) vermischte, trieb mich aus der  Bodega. Ich musste das hier tun - eine Notiz schreiben. Weil die Birne brummt oder summt (der Satz wird hier eingefügt wg. der Überschrift).

Ihr kommt vermutlich gar nicht klar. Na gut. Dann müsstet Ihr in eine Bodega in Bayern gehen, die ein Pole betreibt, in der Kahlköpfige die Theke okkupiert haben, über Diabetes, Fastfood und Bayern München spekulative (keineswegs spektakuläre) Ansichten äußern - und Ihr müsstet gleichzeitig Wolf Reisers "Die ganze Wahrheit über Stuttgart 21" lesen.

Vielleicht erahnt Ihr dann. Ich hab jedenfalls begriffen: Mein neuestes Stück "Helden auf dem Abstellgleis", das am 4. Januar Premiere hatte und im Mai oder Juni bei den 29. Bayerischen Theatertagen in einer Aufführung bei "Müller 7" (ein Möbeldesign-Geschäft) das Publikum irritieren wird, dieses Stück ist keine fertige Produktion, sondern ein Projekt.

Meine "Helden auf dem Abstellgleis" müssen noch einen neuen Dreh kriegen. Es ist ja wahr: Wer 1968 Mitte 20, also 25 Jahre alt war, ist heute 68. Damals hat er mit dem Revolutionsbarden Franz-Jupp Degenhardt (im "Deutschen Sonntag")  gesungen: "Traumverloren sitzen auf den Stadtparkbänken, Greise, die an Sedan denken."

Und heute setzen die neuen Greise, die gern Senioren heißen oder "Männer 50 plus", an Stelle von Sedan Whyl oder Wackersdorf, preisen Sit-ins und Menschenketten, erzählen Dönekes wie: "Dieser Parka hat schon dem eisigen Strahl der Wasserwerfer an der Startbahn West getrotzt."

Verdammt, lassen wir uns den Schneid abkaufen von M&M (Merkel und  Mappus)? Die PR-Maschinerie hat es geschafft, dass man den, der mal "Nein" sagt veralbert. Sogar die, welche "Nuhr" aufmüpfig sein wollen, spotten über die "Wutbürger", die darauf hin beschämt kuschen.

Wahrscheinlich gelingt es dem Reiser, mich, einen "Helden auf dem Abstellgleis" dazuzubringen, bei den nächsten Vorstellungen noch heftiger zuzulangen. Wenn, nachdem ich "Die ganze Wahrheit über Stuttgart 21"  gelesen habe (ich hab das Lesen schon immer, von klein auf, als subversiv verstanden, wenn ich vor 60 Jahren den Ausdruck auch noch nicht kannte oder verstanden hätte, hätte ich ihn gekannt),  also nach der Lektüre kann ich vermutlich nicht umhin, in die Texte von Mario, René und Sigmund eine Passage einzubauen, die auf solche Gedanken rekurriert:

"Was also nun treibt Stuttgarts politisch-ökonomi­sche Klasse an, seit einem Vierteljahrhundert un­beirrt an einem Projekt festzuhalten, das selbst wohlgesinnte Planungs-Insider als höchst riskant, unwirtschaftlich und aberwitzig bezeichnen? Egal, wie eloquent und raffiniert die S21-Fürsprecher seit­her auftreten und wie sie ihre verkehrslogistischen Konstruktionen verkaufen: Man wird das Gefühl nicht los, dass hier ein kleiner Zirkel den Versuch unternimmt, sich selbst unter Nutzung der Landes­hauptstadt vom Provinzdasein zu erlösen, das ima­ginäre Image von Kehrwoche, Spießertum und fri­gidem Spartrieb loszuwerden und endlich auf glühenden Gleisen Richtung große Welt zu rasen, um eine echte Nummer und eine ernst zu nehmende Adresse im globalen Masterplan zu werden. Und nun merken die normalen Menschen dort, dass diese Handvoll Oligarchen davon ausgeht, mit dieser brei­ten Sehnsucht nach Größe spielen zu können, und sich dabei auch noch die Taschen füllt. Denn in letz­ter Konsequenz geht es hier um ein gigantisches Immobiliengeschäft, bei dem wenige maßlos profi­tieren und der Rest draufzahlt." (Wolf Reiser: "Die ganze Wahrheit über Stuttgart 21", Seite 47 / 48, Scorpio Verlag, Berlin-München, 2011, ISBN 978 - 3 - 942166 - 26 - 3)

An der Stelle hier müsste jetzt der Exkurs über den Begriff "Wahrheit" kommen, aber -

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Dienstag, 8. Februar 2011

Memoiren eines Nobody (Fragmente 03)

Es wäre schön, wenn ich jetzt diesen Notizzettel wiederfände. Schon vor Jahren hatte ich da ein spezielles Kapitel skizziert. Leider hab ich ihn versaubeutelt, verschlampt. Unbewusst beabsichtigt? Ich hatte ja lange meditiert, hatte mich in mein Gehirn verkrochen und es geschafft, mich zu überzeugen, ich würde mich wirklich an die erste Zeit erinnern.

Mein erster Augen-Blick? Der, über den das Erinnern nicht weiter hinausreicht? Ich hatte das aufgeschrieben, ganz rasch, fliegend, was da so hochkam.

Der Notizzettel ist weg. Soll ich mich nochmals so wahnsinnig anstrengen? Ich weiß nicht mal, ob das neuerliche Ergebnis dann mit dem damaligen halbwegs kongruent ist. Da kann ich ja gleich was zusammenfabulieren. Zumal es niemanden wirklich interessiert, was ich noch weiß. Von damals. Als ich drei war. Oder noch etwas jünger.

Es interessiert ja nicht mal, was Ballack aus seiner Zeit als Dreikäsehoch erinnert. Oder Precht. Oder Merkel. Nicht mal wenn Stromberg da auspacken würde, könnte man einen Hund hinterm Ofen hervorlocken.

Apropos Ofen: Sowas gibt es ja kaum noch. Es gibt zwar immer mehr Hunde. Die hocken aber nicht hinter der Heizung, von wo man sie hervorlocken müsste oder könnte.

Irgendwie hab ich das dumpfe Gefühl, mein erster Blick ging in der neuen Wohnung nach oben an die Decke. Und da war ein großes Loch in der Decke. Und es war schwarz gesäumt. Ich sah dem Himmel, weil eine Brandbombe das Haus getroffen und ein Loch in die Decke gebombt hatte. Das Blau, das ich sah, war schwarz umrandet.
Das, behaupte ich jetzt mal, ist meine älteste Erinnerung. Eine halbe Stunde älter ist das Bild: Ich wandere an der Hand des Vaters mit einem Bollerwagen die Straße von der alten Wohnung zur neuen hinauf. "Hinauf", weil die Straße leicht anstieg. Oder: wenn man sie in entgegengesetzter Richtung lief, leicht abschüssig war.

Den Vorteil sahen wir erst viel später, mit 17, 18, als wir schon keine Rollschuhe mehr liefen. Da war dann die Straße asphaltiert. Vorher war sie geteert und hatte immens viele Löcher. Da war nix mit Rollschuhlaufen. Nur der Sunderweg war asphaltiert. Aber der war nicht abschüssig. Und auf dem fuhren damals nicht so schrecklich viele Autos, aber genug, um die Mütter zum Verbot zu veranlassen: "Du gehst nicht zum Sunderweg!"

Dabei war das auch die einzige Möglichkeit, den Pitschendopp kreisen zu lassen, diesen Holzkegel mit dem Nagel in der Spitze, der mit der Peitsche immer angetrieben werden musste. Auch der Heuldopp kreiselte ausschließlich auf dem Sunderweg.

Und wen juckt das? "Eh ich vergesse ... Memoiren eines Nobody". Immer hatte ich diesen Roman schreiben wollen. Nicht als Biografie, nicht als Memoiren. Als Roman. Irgendwo fand ich den Satz: Autoren schöpfen meist aus dem eigenen Erleben. So spannend war und ist mein Leben aber nicht. Das reicht nicht für einen Roman, nicht mal für eine Kurzgeschichte. Und eine Biografie ...

Ich werde doch die Notizzettel suchen. Sie sind irgendwo. Ich hab sie all' die Jahre gehabt. Aber dann ... Und ich weiß warum: Dieses Wühlen im Gestern, das ist von Übel! Alles Weitere wird jetzt erfunden. Scheiß was auf die Zettel und die Memos. Moin, Moin!

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