Dienstag, 30. November 2010

Stan & Olli - subversiv im Sinne Peymanns?



„Woher rührt der intellektuelle Dünkel gegenüber allem, was populär ist oder einmal populär war?“
Das fragt sich Sven Hanuschek in „Laurel & Hardy. Eine Revision“. Und gibt dann zu bedenken:
 „Schließlich ergibt sich jeder in einem Winkel seiner Persönlichkeit dem Kitsch, den er auf anderen Gebieten hemmungslos verfolgt. Unter Karl Kraus und Robert Musil tun wir's nicht, aber die Schlager unserer Kindheit hören wir doch ganz gern. Heimlich. Oder wir sehen die Filme unserer Jugend weiterhin, vielleicht sogar offen, es ist ja auch hin und wieder schick, zu solchen Untiefen zu stehen.“
Also, den Hanuschek lese ich gern. In diesem Buch über die Schauspielkünstler Stan Laurel und Oliver Hardy, die bei uns gern als „Dick und Doof“ verschlissen werden, findet sich einiges, was mir runter geht wie Öl. Tatsächlich erfahre ich einige für mich höchst aufschlussreiche biografische Daten und Fakten über jeden der beiden und das Duo.
Andererseits erzählt der Autor sehr viel über ihre Arbeitsweise und deren Hintergründe, über die Bedingungen und die „Philosophie“ ihres künstlerischen Schaffens. Zum Beispiel lese ich da so lapidar hingeschriebene Sentenzen wie:
 „… die Erzeugung von Komik ist eine seriöse, schwierige Tätigkeit. Zweifellos haben Laurel wie Hardy ihre Aufgabe als Komiker ernst genommen, sehr ernst.“.   
Sie sollen alles, was sie gespielt haben, immer so gespielt haben, als sei es Macbeth oder Hamlet, soll der Musical-Sänger und Komiker Eddie Cantor über sie gesagt haben, mit dem Zusatz: „That, to me, has always been a true sign of comic genius.“ Peng. Das haut manchem den Bowler runter.
Schon häufiger hab ich den Satz zitiert: „Das Leichte ist besonders schwer!“ Damit ist ja gemeint: „Es ist schwer, Komödie zu machen.“ Was ist denn komisch? Was ist funny? Stan Laurel wusste es, er war lange genug auch Bühnendarsteller (Vaudeville), vor Live-Publikum, wusste von daher zu timen, Reaktionen zu provozieren und abzuwarten, was dann in die Filme mit hinüber genommmen wurde (zum Beispiel durch eine längere Einstellung auf Ollis Gesicht, welches dieser in Reaktion auf eine Stan-Aktion schnitt).
Stan Laurel hat sich aber geweigert, irgendwo zu lehren oder gesprächsweise von sich zu geben, was für ihn funny ist. Dick van Dyke will so eine Passage im Gedächtnis haben, in der Laurel auf die Frage ‚was ist komisch’ geantwortet haben soll: „How do I know? Can you analyze it?“ Alles, was er wisse sei „just how to make people laugh“. Peng! Jetzt muss der Zylinder runter.
Die beiden haben sich in die Voraufführungen ihrer Filme gesetzt, haben die Lacher mitgezählt; das Ergebnis hatte jeweils Folgen: Es wurde umgeschnitten, gekürzt, neu gedreht. Die Filme hatten, bevor sie ins Kino kamen, Tausende gesehen. Und es darf in diesem Zusammenhang erinnert werden: Shakespeare-Stücke sind nicht die Frucht eines Erfinder-Autors – sie sind praktisch das Protokoll dessen, was vom Ensemble in zig Aufführungen vor Publikum erprobt und was sich so als haltbar (und publikumstauglich) erwiesen hatte.
Dario Fo arbeitet so ähnlich. Tabori hat sinngemäß gesagt, eine Premiere ist nur eine Station, man zeigt, was man bis dahin erarbeitet hat. Machst DU so was mit bestimmten SchauspielerInnen heute, scheiterst Du.  Für manche ist es Pflicht der Regie, von Anfang an zu wissen, wann und wo welcher Effekt, welcher Gag, welcher Gimmick gesetzt wird. Und dann, bitte, bitte, nicht mehr dran rütteln. Diese KollegInnen schwätzen ihren Text auch in jede Publikumsreaktion hinein, hören meist auch nicht wirklich, was andere auf der Bühne tun, liefern ihren Text dessen ungeachtet und treten dann sozusagen geistig ab, bis sie wieder „dran“ sind (mit Text).
Was komisch ist, worüber wir lachen – da gibt es ja ne Menge Theorien. Große Geister haben sich damit befasst. Wann, wie auf der Bühne gelacht wird, über was auf der Bühne gelacht, wer oder was verlacht werden darf – da könnte man Bücher schreiben. Oder ein paar kategorische Imperative verfassen. (Memo: mal – wieder – reinschauen in Lessing Hamburgische Dramaturgie). Da zu meiden, was zu meiden ist (Lacher auf Kosten von Menschen, die bestimmte Eigenschaften nicht zu verantworten haben und nicht ändern können), aber das Übrige hemmungslos und verwegen das dem Gelächter preisgeben – das unterscheidet gute Komödien von schlechten.

Jetzt les ich gerade in einer dpa-Meldung:
Der Regisseur und Intendant des Berliner Ensembles, Claus Peymann (73), ist über den ‚traurigen Zustand’ des Gegenwartstheaters entsetzt und sieht es auf dem Weg in den Niedergang. Das Theater habe seine ‚subversive Kraft’ verloren und sich selber aufgegeben, ‚außer Gefecht gesetzt’, habe Peymann gesagt - bei der Buchvorstellung des Theater- und Kunstkritikers Peter Iden (72). … Für Peymann ist das Theater selbstverschuldet ,in eine Nische der Gesellschaft’ geraten, das zeige auch, ‚wie wenig wichtig wir heute sind’. Das eigentlich Bedrohliche sei aber, ‚dass wir uns auch selber nicht mehr ernst nehmen’, so heißt unter anderem in der Meldung.
Hätt ich ganz gern gewusst, Herr Peymann: subversiv wem gegenüber? Also wem gegenüber
„aufrührerisch, aufsässig, aufständisch, aufwieglerisch, rebellisch, revolutionär; widersetzlich, zersetzend; (schweiz.): auflüpfisch; (geh.): aufbegehrend; (bildungsspr.): rebellierend …“,

um mal das Synonymwörterbuch zu bemühen.Dem Souverän gegenüber? Wer ist das? Doch das Volk – also: das Publikum. Da attackiere mal, Kollege Peymann! Die machen das lustige Geräusch mit den Lippen. Und wenn es sich rumgesprochen hat, dass sie was um die Ohrlappen kriegen, kommen sie gar nicht.
Kommt mir nur der  Gedanke: So subversiv wie Stan und Olli sein, das wär’s doch, könnte klappen. Auf Lacher spielen. Über Menschlich-allzu-Menschliches, den alltäglichen Wahnsinn, über menschliche Eigenschaften, welche die Träger dieser Eigenschaften ändern können. Und ändern müssten! Da müsste man aber die „Methode Shakespeare“ anwenden: Da dürfte man sich nicht zu fein sein, immer wieder vor Publikum zu erproben, was letztlich halt- und brauchbar ist.
Ob da dann zum Subversifizieren noch viel Klaschisses (wie Loriot, nein, eher: Heinz Erhardt sagen würde) übrig bleibt?

Sonntag, 7. November 2010

Hurra - es kann schief gehen!

Irgendwie ist es ziemlich schräg: Man sitzt da und denkt: "Du hast schon ziemlich lange nix gebloggt. Es wird mal wieder Zeit." Und dann quält man sich mit der Frage: "Interessiert sich eine Sau für das, was man von sich gibt?"

Also gut, der Entschluss, was zu bloggen, ist gefasst. Aber was? Was soll man denn bloggen? Die Zeit war knapp? Alles geht so schnell? Ich bin schon fast in Rente? Hab ich noch was vor?

Aber Hallo! Beten wir es mal runter, wie sich die neue Spielzeit anließ. Erst mal haben wir "Versteh einer die Frauen" aufgenommen. Da mussten wir zwei von vier Positionen umbesetzen. Dennoch war es richtig, diese Mühe auf sich zu nehmen. War irgendwie nochmals neuer Fun. Für uns und fürs Publikum!

Dann haben wir ja "Frühstück bei Kellermanns" noch einmal ins Vorspielzeit-Programm genommen. Das war ein Volltreffer. Davon war das Publikum derart begeistert ... Bei den letzten drei Vorstellungen hätte man am liebsten unendlich extemporiert, um es vollständig auszukosten. Wenn es mal nahe dran ist, dass ein Theater vor Jubel zerlegt wird ... Wer erfasst, welches Potential dieses Stück bietet, wenn man es leicht modernisiert, der wird Mordserfolge feiern ... Die Ursula Haucke hat da vor 30 Jahren einen Knaller geschrieben. (Aber die Künstler spielen ja lieber immer wieder "Faust".)

Nun sind die ersten Neu-Produktionen der Spielzeit rausgekommen. "Venedig im Schnee" war zur Premiere noch ziemlich, na ja. Die beiden Rezensionen in der Presse (hier und hier) und eine konstruktiv monierende Publikumsstimme haben aber dem Teil des Ensembles, welches kritische Anmerkungen für seine Arbeit hinnehmen musste, die Augen geöffnet für das, was der Regisseur die ganze Zeit gepredigt hatte. Manchmal sind diese Schocks heilsam. Zusätzlich hilfreich war auch der dann rumgereichte Artikel "Urknall der modernen Komik" in der Süddeutschen, den man allen um die Ohren hauen möchte, die so gern die E-Kunst anbeten und die  U-Kunst verächtlich machen.

Und dann haben wir binnen acht Tagen die zweite Premiere rausgebracht. Ein Achtungserfolg für einen Monolog. Allerdings vom Superautor Gabriel Barylli. Die Presse (hier und hier) und das Publikum sind sehr, sehr angetan von "Penny Lane". Amüsiert und berührt. Wird auch zu wenig gespielt, dieses "Penny Lane".

So also fing die Spielzeit an. Es ist kaum zu schildern, wie das zu bewältigen ist, mit nicht mal einem halben Dutzend Leuten. Wäre auch fürs Publikum langweilig. Und die KollegInnen? Wollen es doch auch nicht wissen. OK! Akzeptiert. Bleibt noch zu sagen: Nun stecken wir mitten drin im nächsten Stück, in "Helden auf dem Abstellgleis".

Da war jetzt das erste Meeting des Methusalem-Triumvirates. Dabei musste mal erklärt werden, was ein Holodeck ist, welche Rolle Descartes in der Philosophie spielt, wer Jim Knopf ist, warum "Gott" von Woody Allen so phantastisch ist, wieso Mr. Spock zu Phidippides (der Original-Marathon-Läufer) mutiert, welche Rolle die Frauen im Publikum als "Klassischer griechischer Chor" übernehmen könnten und vor allem: Warum das alles nicht im Theater spielt, sondern "woanders".

Gerard, ein Wiener, der den Sigmund spielt, den Erfinder des freudschen Versprechers, stellte trocken und ziemlich zutreffend fest: "Das wird eine Herausforderung!"

Indeed! Da machen wir eine Neu-Ulm-Tournne. Rund um den Petrusplatz. Am Wochenende gehen die "Proben" los. Und da kann manches ziemlich schief gehen. Hurra! Eintritt muss dennoch bezahlt werden.

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