Dienstag, 8. Januar 2013

Der dritte Mann - hat die Schnauze voll

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Boots-top-bunt
Publikumseinlass

Publikumslicht aus

Bühnenlicht an

CLARISSA: (hat Mikrophon vor sich, klopft dran, es tut nichts)

                     Technik, das Mikro geht nicht.

BENJAMIN: Du musst es anschalten, da ist so ein Knopf.

CLARISSA: Waaas? Ich soll selbst ... Das ist doch das Letzte. So,

                    ich wäre jetzt so weit, können wir endlich?

BENJAMIN: Moment  (spielt „I’m an American Woman“ ein)

HEINZ und HANNES (sprinten ins Boot)

CLARISSA:  (singt automatisch mit  und bricht dann ab)

                    Das fällt mit jetzt erst auf, das ist der falsche Titel

                    Außerdem hast Du ihn mittendrin reingespielt.

BENJAMIN: Der Anfang ist ja auch nix. Der geht viel zu lahm los.

LUISE HÄBERLE  (unterbricht) Was macht Ihr denn???

                             (Zu den Männern im Boot)   Und: Wieso steht Ihr

                             denn da?

HEINZ: Du hast gesagt, am Anfang, wenn das Lied kommt, steht Ihr

             drei im Boot

LUISE: Ich hatte gesagt: beim Anfangslied. Und das Anfangslied

   kommt doch erst, wenn ich mit dem Vorspiel fertig bin.

HEINZ: Ich hatte mich auch schon gewundert, aber wir waren noch  

              mitten in  der Konzentration, da haben wir Musik gehört und

             sind losgesprintet.

LUISE: Ihr seid noch gar nicht dran, bevor ich hier so einiges geklärt

  habe, geht’s nicht los. Kann ja nicht …

HEINZ: Ach ist das peinlch, hach ist das peinlich

Solo Luise  Häberle

Am Ende des Solo:

(vom Band) Lied „Drei Mann in einem Boot“

 

(Nur zwei Männer im Boot - HEINZ und HANNES)

HEINZ:

Der kommt nicht, hab ich geahnt, war zu erwarten. Deutete sich seit langem an, dass er keinen Bock mehr hat.

Ich hab’s geahnt. Immerzu nach Ulm rüberkucken – wer will das schon.  Das Schönste an Neu-Ulm ist der Blick auf Ulm? Was soll denn da schön sein? Häh?

Kuckste rüber, wenn nicht grad Nebel ist, siehste: das Münster, die Altstadt. Eben: Altstadt. Neu-Ulm könnte punkten, vor allem bei vom Sightseeing genervten Männern mit dem Slogan: Bei uns brauchen Sie nicht durch eine Altstadt zu latschen.

Menschen siehst in der Blickhöhe nicht, eben nur die Steine.

Wenn Du den Blick senkst, siehst Du Menschen. Auf der Donauwiese. Aber ob Du die sehen möchtest ..

Und dann guckst noch weiter runter auf die Donau – von wegen blau.

Und demnächst sieht man im Vordergrund auf Neu-Ulmer Seite noch ein Brückenhaus. Bruggerhaus. Superteure Wohnungen in Stockwerk vier und fünf. Wer hat das Geld? Bar? Griechen und Spanier. Ja echt! Berlin haben sie schon halb aufgekauft. Die machen dann alle den Zumwinkel – nur hier, bei uns, nicht in Liechtenstein.

Gottseidank haben wir ja den Tunnelblick, wir Männer. Da sehen wir nimmer nur einen schmalen Ausschnitt. In den passt gerade das Münster. Wir müssen ja immer, wenn wir mehr sehen wollen als den schmalen Tunnel, den ganzen Kopf drehen. Wenn wir, wie die Frauen, so ne Art Panoramablick hätten, dann würden wir zwar nicht mehr so schnell dabei erwischt, dass wir ne Blondine in Visier nehmen, aber wenn wir nach Ulm gucken, hätten wir auch das ganze Elend rechts und links vom Brückenhaus gleichzeitig im Blick. Was da im jetzt zu Ende gehenden Jahr alles abgerissen wurde und in nächster Zeit noch abgerissen wird … Mannomann.

Und dann kommen da auch so teure Wohnungen hin. Und da kaufen sich lauter Stuttgarter ein. Weil sie von hier aus schneller mit der Bahn in derc Stuttgarter City sind als mit dem Auto vom Killesberg runter.

Apropos Neu-Ulmer Bahnhof. Riskieren wir doch mal nen Blick rückwärts. Vom Bahnhof siehste nix. Ein Manta-Bahnhof: tiefer gelegt, Stuttgart 21 en miniature. Aber so Plattenbauten, Studenten-Schließfächer. Und davor siehste – auch nix. Da sollte schon vor ziemlich langer Zeit ein Shoppingcenter gebaut werden. Die Glacis-Galerie.

Die hat viel mit dem Weltuntergang gemeinsam. Der kam auch nicht.

Beim Rückwärtsgucken könnte man ja mal den Blick nach halblinks unten schweifen lassen, auf die Rathausschreibtische und da könnte man Geheimpläne entdecken: zum Beispiel für einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach des Brückenhauses. Für die Spanier und Griechen, die doch nicht über die B 10 anreisen wollen. 

Neu-Ulm, das ist schwierig.  Zwar hatte der Märchenkönig vor knapp 150 Jahren Neu-Ulm das Stadtrecht verliehen. Ja, der schräge Ludwig zwo. Irgendwie kam er aber nicht dazu,  hier son Schloss zu bauen. Son Neu-Schwanstein zwei. Das wär doch der Hammer gewesen. Da hätten die Ulmer einpacken können mit ihrem antiquierten Münster. Da wären  nicht bloß Griechen und Spanier nach Neu-Ulm gekommen, nein, vor allem auch Japaner und Amis hätten ihr Geld hier liegen lassen. Bei Korb & Rattan Neher oder in der Schmucktruhe Reh neben Geydam-Gnamm.

Wäre ja dringend notwendig gewesen, wenn die ganze Chose hätte was werden sollen. Das bayerische Zonenrandgebiet zu Württemberg war ja eigentlich die Viehweide der Ulmer. Irgendwie  kommt man nicht von dem Image los. Damals hatten ja Pfuhl und Offenhausen mehr zu bieten. Im Bereich der heutigen Innenstadt Neu-Ulms wohnten bei der Teilung durch Napoleon gerade mal drei behauste Familien. Das ist noch gar nicht sooo lange her, 200 Jahre. Man konnte damals schon voraussagen: Das wird nix, ohne ein Linderhof oder wenigstens einen Inhofer. Meinetwegen auch ein ein H & M oder ein Saturn.

Also ehrlich, wir in unserem Boot tun besser dran, wieder in die alte Richtung zu peilen, auch wenn es dann so aussieht, als ginge uns Neu-Ulm am Arsch vorbei.  Aber letztens hat einer gesagt: Neu-Ulm sei doppelt so groß wie der Friedhof von Chicago, aber nur halb so lebendig. Auf dem Friedhof von Chicago wird auch sicher in einer Woche mehr Jazz gespielt als in Neu-Ulm in den letzten 20 Jahren. Hier kommt aber jetzt „All that Jazz“ aus dem Musical Chicago.

CLARISSA:  Lied „All that Jazz“

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